💔„Was ist nur los mit uns?“ – Gedanken nach einem zerstörten Fahrrad💔


Gestern habe ich im Haus einen Zettel gesehen. Nur ein kleiner Zettel an der Tür, handgeschrieben, vielleicht mit zitternden Fingern. Eine Mitbewohnerin schreibt, dass ihr Fahrrad im Fahrradkeller über Nacht komplett zerstört wurde. Nicht gestohlen. Nicht geklaut, um es weiterzuverkaufen. Sondern mutwillig zerstört. Zerkratzt, zerdrückt, zerbrochen. Sinnlos. Einfach so.

Ich stand lange davor. Und plötzlich war da so viel in mir. Traurigkeit, Wut, Fassungslosigkeit. Und diese eine Frage, die sich wie ein Kloß im Hals festsetzt:
In was für einer Gesellschaft leben wir eigentlich?

Was bringt einen Menschen dazu, das Eigentum eines anderen mutwillig zu zerstören? Was passiert in einem Menschen, dass es sich in ihm staut - so sehr, dass es rausbrechen muss in blinder Zerstörung?
Und was sagt das über uns alle aus?

Wir leben in einer Zeit, in der so viele Menschen unter Druck stehen. Die Welt scheint schneller zu werden, ungeduldiger, kälter. Wir hetzen von Termin zu Termin, kämpfen mit steigenden Preisen, mit innerer Leere, mit Einsamkeit inmitten voller U-Bahnen. Vielleicht brodelt es deshalb in so vielen.
Aber ist das eine Entschuldigung?

Was mir zu schaffen macht, ist diese Form von Respektlosigkeit.
Nicht nur gegenüber Dingen, sondern gegenüber dem, was sie bedeuten.
Ein Fahrrad ist mehr als ein Gegenstand. Es ist Freiheit. Alltag. Arbeit. Vertrauen.
Wenn wir das nicht mehr achten, was achten wir dann noch?

Was ist aus uns geworden, wenn Zerstörung zur Entladung wird?
Was sagt es über unsere Gesellschaft aus, wenn man Aggression spürt, wo eigentlich Rücksicht, Verbindung und Mitgefühl gebraucht würden?

Ich will keine Welt, in der wir uns daran gewöhnen.
Ich will nicht, dass wir so weit abstumpfen, dass solche Taten einfach hingenommen werden.
Ich will fragen: Was können wir tun?

Vielleicht beginnt es bei den kleinen Dingen.
Ein ehrliches Gespräch. Eine ausgestreckte Hand. Eine Einladung. Zuhören, wenn jemand wütend ist. Wahrnehmen, wenn jemand leidet. Grenzen setzen, wo andere übertreten. Nicht schweigen, wenn Respekt fehlt.

Vielleicht braucht es wieder mehr „Wir“.
Mehr Gemeinsinn.
Mehr Raum, in dem Gefühle sein dürfen, bevor sie zerstörerisch werden.
Mehr Verantwortung füreinander.

Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der wir achtsamer mit dem umgehen, was anderen gehört.
In der wir wieder spüren, was uns verbindet.
Und in der ein zerstörtes Fahrrad nicht nur als „schlimm“ abgetan wird, sondern als Anlass, neu nachzudenken:
Wer wollen wir sein?